Bund prüft Verteuerung der Autobahnvignette

Tages-Anzeiger-Artikel von Gregor Poletti-.© Foto: 20min/Vanessa Lam

Vor genau zehn Jahren wurde sie abgelehnt. Jetzt kommt eine Erhöhung des Vignettenpreises wieder auf den Tisch. Der Bund will bis im Frühling Klarheit schaffen.

Die Wogen gingen hoch, damals im Herbst 2013, als mit der Änderung des Nationalstrassen-Abgabegesetzes auch eine Erhöhung des Preises für die Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken zur Diskussion stand. Bereits die beiden Ratskammern hatten zuvor heftig gestritten, der Nationalrat schwenkte erst im dritten Anlauf auf die Linie des Bundesrats und des Ständerats ein. Zuvor hatte er sich für eine Erhöhung auf lediglich 70 Franken ausgesprochen.

Die Gegner, allen voran die Automobilverbände, wehrten sich vehement gegen die 100-Franken-Vignette. Der Aufschlag sei zu hoch, ausländische Autofahrer würden mit der Kurzzeitvignette bevorzugt, kleine und mittelgrosse Unternehmen mit Wagenflotten benachteiligt, hiess es. Das Stimmvolk folgte dieser Argumentation und lehnte die Verteuerung am 24. November mit 60,5 Prozent Nein-Stimmen ab.

Einführung auf Umwegen Damals wollten die Regierung und die Mehrheit des Parlaments mit der Preiserhöhung vor allem die Finanzierung der Strasseninfrastruktur gewährleisten. Jetzt kommt dieses Thema wieder aufs Tapet, aber auf Umwegen: Heute steht eine Verteuerung des Vignettenpreises, der seit 1995 40 Franken beträgt, als möglicher Beitrag für ein besseres Verkehrsmanagement insbesondere im Alpentransitbereich zur Debatte. Dies geht aus der kürzlich erfolgten Antwort des Bundesrats auf einen Vorstoss von FDP-Nationalrat Alex Farinelli hervor.

In diesem fordert der Tessiner Politiker nebst einer Verteuerung eine obligatorische Vignette nicht nur für die Autobahnen, sondern insbesondere auch für die Passstrecken, damit es nicht zu unerwünschtem Ausweichverkehr kommt. Eine Sorge, die auch den Urner Nationalrat Simon Stadler (Mitte) umtreibt. Sein bereits vor einem Jahr eingereichtes und sehr breit abgestütztes Postulat – SVP-Nationalräte bis hin zu Volksvertretern der Grünen haben unterzeichnet – verlangt ebenfalls eine Verbesserung des Verkehrsmanagements und eine Vermeidung des Ausweichverkehrs: «Dass jetzt der Bundesrat die Autobahnvignette ins Spiel bringt, erstaunt mich schon ziemlich.»

Letztes Jahr wurden laut dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) 10,5 Millionen Vignetten verkauft, wodurch mehr als 420 Millionen Franken eingenommen wurden. Wie gross eine Erhöhung ausfallen könnte, will das zuständige Bundesamt für Strassen (Astra) nicht sagen. Man analysiere die Problemstellung detailliert. «Der Bundesrat wird voraussichtlich im Frühling den Bericht zum Verkehrsmanagement dem Parlament übergeben», sagt Mediensprecher Thomas Rohrbach.

Gewerbe wehrt sich schon mal Angesprochen auf eine mögliche Verteuerung oder eine Art Vignette für die Alpenpässe, reagiert Fabio Regazzi, Präsident des mächtigen Gewerbeverbandes (SGV), mit deutlichen Worten: «Gemäss unserer Strategie lehnen wir die Erhöhung von Steuern und Gebühren wie der Vignette ab.» Eine Maut für den Gotthard lehne man kategorisch ab.

Auch Stadler ist eher kritisch gegenüber einer Erhöhung des Vignettenpreises via die Verbesserung des Verkehrsmanagements: «Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass der Bund via eine Verteuerung der Vignette mehr Geld für die Strasseninfrastruktur generieren will.» Aber diese Vorlage sei dafür das völlig falsche Vehikel: «Packt man da noch die Vignette mit rein, dürften sich die drängenden Massnahmen für ein besseres Verkehrsmanagement am Gotthard unerträglich in die Länge ziehen.»

Wie die Strasseninfrastruktur finanzieren? Auch wenn der Vignettenpreis nicht erhöht wird, stellt sich für den Bund die Frage, wie er genügend Geld für den Erhalt und den Ausbau der Strasseninfrastruktur auftreiben will. Denn es drohen gewaltige Einbussen durch den E-Auto-Boom. Zwar wird ab Anfang des kommenden Jahres wie bei allen anderen Personenwagen auch auf E-Autos eine Automobilsteuer beim Import von 4 Prozent erhoben werden. Doch das wird nicht reichen, aus verschiedenen Gründen:

Fehlende Einnahmen durch E-Autos: Zwar sind erst 2,3 Prozent der 4,7 Millionen Personenwagen in der Schweiz vollelektrisch unterwegs. Aber der E-Auto-Boom wird weitergehen: Allein letztes Jahr war fast jeder fünfte verkaufte Neuwagen ein vollelektrisches Auto. Dadurch fehlen zunehmend die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, welche auf Benzin und Diesel erhoben wird. Wer so unterwegs ist, muss pro Jahr im Schnitt etwa 800 Franken an die Strasseninfrastruktur zahlen – via Zapfsäule. Diese zurückgehenden Einnahmen sollen durch eine sogenannte Ersatzabgabe auf Elektroautos kompensiert werden. Diese wird sich aus einem festen Betrag pro gefahrenen Kilometer und Fahrzeugkategorie zusammensetzen. Wie hoch die Ersatzabgabe sein wird, ist noch offen. Ende Jahr will das Verkehrsdepartement ein entsprechendes Gesetzespaket präsentieren.

Die Einführung der elektronischen Vignette: Deren Verkauf ist seit dem 1. August angelaufen, inzwischen wurden 235’000 Stück gelöst. Der grosse Run dürfte mit dem Beginn des neuen Vignettenjahres am 1. Dezember 2023 losgehen, ist man beim BAGZ überzeugt. Und damit erhöht sich auch das Missbrauchspotenzial, denn Fahrer von Autos oder kleinen Lieferwagen werden von den Zollbeamten nicht mehr in jedem Fall angehalten, wenn keine Vignette an der Windschutzscheibe klebt. Denn es könnte ja sein, dass diese ganz korrekt eine E-Vignette gelöst haben. Vorgesehen sind nur noch Stichproben. Schon heute entgehen dem Staat durch die Missbrauchsquote von geschätzt 5 Prozent jährlich fast 20 Millionen Franken. Dieser Prozentsatz dürfte sich noch erhöhen und damit die Einnahmen weiter schmälern.

 

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