BFE-Tagung zur Schweizer Wärmepumpen-Forschung in Bern
Von den gut 43’000 Wärmepumpen, die im vergangenen Jahr in der Schweiz verkauft wurden, haben fast 90 Prozent eine Leistung von unter 20 Kilowatt, wie sie typischerweise für ein Ein- oder Zweifamilienhaus benötigt wird. Daneben existieren aber auch leistungsstarke Wärmepumpen, die heute schon Mehrfamilienhäuser mit Heizenergie und Industriebetriebe mit Prozesswärme versorgen. Das machte Ende Juni 2024 die traditionsreiche Wärmepumpentagung des Bundesamts für Energie in Bern deutlich.
von Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Noch nie wurden in der Schweiz so viele Wärmepumpen verkauft wie im letzten Jahr. Über 43’000 Geräte zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser aus Umweltwärme wurden 2023 abgesetzt, sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor. Trotz dieser Erfolgsmeldung ist Alexandra Märki, Geschäftsführerin der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS), nicht ganz zufrieden. Denn das starke Wachstum der Verkäufe in den letzten Jahren scheint seit dem 4. Quartal 2023 gestoppt. Märki konstatiert einen «Einbruch der Verkaufszahlen», der unter anderem auf hohe Hypothekarzinsen zurückzuführen sei, wie sie an der BFE-Tagung zur Wärmepumpenforschung ausführte, deren 30. Ausgabe Ende Juni erstmals in Bern stattfand (nicht wie bis anhin in Burgdorf).
Trotz dieses Dämpfers dürfte der Boom der Wärmepumpen mittelfristig weitergehen. Man könnte auch sagen: Er muss weitergehen, denn Wärmepumpen sind eine «Schlüsseltechnologie zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors», wie BFE-Vizedirektor Pascal Previdoli sagt. Soll die Schweiz bis im Jahr 2050 klimaneutral werden, muss die Zahl der Wärmepumpen nämlich in den nächsten 25 Jahren auf 1.5 Millionen verfünffacht werden.
Wichtig dabei: Wärmepumpen sollen nicht nur im Wohnungssektor zur dominierenden Heizungstechnologie aufsteigen, sondern auch im Dienstleistungs- und Industriesektor verstärkt Verbreitung finden. Eine grosse Bedeutung kommt ihnen auch bei der Wärmeproduktion für Fernwärmenetze zu.
GENF VERSORGT MEHRFAMILIENHÄUSER
Heute werden noch überwiegend kleine Wärmepumpen mit weniger als 20 Kilowatt Leistung verkauft, die auf die Bedürfnisse von Ein- und Zweifamilienhäusern zugeschnitten sind. Die Nutzung von Umweltwärme (Aussenluft, Erdreich, Flüsse und Seen, Grundwasser) gelingt aber nicht nur im Kleinen, sondern unterdessen auch in grossen Dimensionen. Beispielsweise zur Beheizung von Mehrfamilienhäusern. Ein Forscherteam der Universität Genf informierte an der Wärmepumpentagung über die Ergebnisse einer Untersuchung von neun Genfer Mehrfamilienhäusern beziehungsweise Überbauungen, die durch Wärmepumpen versorgt werden. Die Wärmepumpen haben hier Leistungen von 30 bis 5 000 Kilowatt und decken den Wärmebedarf der Bestands- und Neubauten in den meisten Fällen zu 50 bis 100 %. Für den restlichen Wärmebedarf werden Gaskessel und bisweilen auch Solarwärme herangezogen, wie Simon Callegari, Wissenschaftler an der Universität Genf, in Bern sagte.
Auch für die Wärmeversorgung von Bürogebäuden und Hochhäusern sind Wärmepumpen leistungsfähig genug. Auf dem Papieri-Areal in Cham entsteht bis 2035 etappenweise ein Quartier mit 1’000 Wohnungen und 1’000 Arbeitsplätzen, dessen Wärmebedarf einzig mit Wärmepumpen abgedeckt wird. Im Endausbau soll es mit Wärme aus einem Feld mit 192 Erdwärmesonden, die 320 Meter tief gebohrt werden, und Umweltwärme aus einem Fluss versorgt werden. «Zusammen mit Photovoltaik-Dachflächen deckt das Quartier seinen Energiebedarf im Endaus- bau 75% autark und die Wärme- und Kälteversorgung ist vollständig erneuerbar. Eine Plusenergiebilanz für die grossen Gebäude beziehungsweise das ganze Quartier ist anspruchsvoll, aber definiert ein ambitioniertes Ziel», sagt Carsten Wemhöner von der Ostschweizer Fachhochschule, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. Beat Wellig (Hochschule Luzern) berichtete in Bern über ein Büro- und Gewerbegebäude in St.Gallen, das durch eine Wärmepumpe mit einem COP von über 10 beheizt und einem COP von 50 gekühlt wird. Diese aussergewöhnliche Effizienz wird erreicht durch eine speziell konstruierte Niederhub-Wärmepumpe, die mit hohen Quelltemperaturen (hier 11 bis 13 Grad Celsius) und niedrigem Heizungsvorlauf (hier 26 Grad Celsius) arbeitet. Diese tiefe Vorlauftemperatur genügt, weil die Heizwärme in den Räumen mit Konvektoren an die Luft abgegeben wird.
PINCH-ANALYSE
Werden Wärmepumpen in Industriebetrieben eingesetzt, sollten vorgängig mittels Pinch-Analyse die Heiz- und Kühlbedürfnisse einschliesslich der tatsächlich benötigten Prozesstemperaturen sorgfältig untersucht werden. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Wärmepumpen im schlimmsten Fall als «Elektroheizung» oder mit unnötigen Exergieverlusten beziehungsweise geringem COP eingesetzt würden, betonte Beat Wellig (HSLU) an der Wärmepumpentagung in Bern. Wellig zeigte am Beispiel einer Molkerei, dass in diesem Betrieb 75 % des Energiebedarfs mit Wärme unter 100 °Celsius gedeckt werden kann und damit nur relativ wenig Prozessdampf bereitgestellt werden muss. Dadurch können im untersuchten Fall die Exergieverluste um bis zu 46 % und die CO2 Emissionen um bis zu 66 % verringert werden.
MITTEL ZUR DEKARBONISIERUNG DER INDUSTRIE
Cordin Arpagaus, Experte für Hochtemperatur-Wärmepum- pen an der Ostschweizer Fachhochschule (OST), hat die Verbrei- tung von Grosswärmepumpen (>100Kilowatt Leistung) für In- dustrie und Fernwärmenetze untersucht. In der Schweiz wurden in den letzten Jahren jeweils 150 bis 300Stück verkauft – eine geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass dieser Leistungsbereich ein grosses Dekarbonisierungspotenzial aufweist. Dabei hat sich das Angebot von Hochtemperaturwärmepumpen in den letzten sechs Jahren verdoppelt. Sie nutzen in der Regel Abwärme als Wärmequelle und stellen Prozesswärme bereit. Dafür besteht insbesondere in den Branchen Chemie / Pharma, Nahrungsmit- tel und Papier eine grosse Nachfrage, ebenso bei der Versorgung von Fernwärmenetzen. Gegenwärtig beziehen gemäss einer Er- hebung von Frühjahr 2024 nur 14 Prozent der thermischen Netze in der Schweiz ihre Wärme aus Grosswärmepumpen.
Mit Wärmepumpen lassen sich in der Industrie bis zu 80 Pro- zent Energie sparen und die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent senken, wie OST-Forscher mit Anwendungsbeispielen belegen können. Für Cordin Arpagaus besteht für Grosswärmepumpen noch ein riesiges Potenzial: «Um dieses auszuschöpfen, muss güns- tiger Strom verfügbar sein. Wir brauchen zudem Ingenieure, die solche Geräte in die bestehenden Prozesse integrieren können. Und es braucht Fördermassnahmen, um diese Technologie in die breite Anwendung zu bringen, so wie die ab 2025 geplante Förde- rung für Wärmepumpen mit mehr als 70Kilowatt.» Bei den Gross- wärmepumpen werden heute schon mehrheitlich natürliche Kältemittel eingesetzt. Sie nehmen damit einen Trend vorneweg, der bei den kleineren Wärmepumpen noch kaum greifbar ist.
BEST-PRACTICE-BEISPIEL AUS DER INDUSTRIE
An der Berner Tagung wurde mit Re- feraten und einer Postersession eine Reihe von Projekten aus der Wärmepumpenfor- schung vorgestellt, die mit Unterstützung des BFE durchgeführt wurden bezie- hungsweise noch werden. Sie beziehen sich unter anderem auf exemplarische Anwendungen von leistungsstarken Wär- mepumpen zum Beispiel in einer Fleisch- fabrik, einer Bierbrauerei, einem Milch- verarbeitungsbetrieb oder einer Fabrik zur Herstellung von veganem Käse. Reinhard Radermacher, Professor an der US-ame- rikanischen University of Maryland, hatte die an der Fachkonferenz anwesenden Forscherinnen und Forscher schon in seinem einleitenden Keynote-Referat ermuntert, nicht auf den bisherigen Erfol- gen auszuruhen. Er plädiert für neuen Erfindergeist, um Wärmepumpen noch kompakter, effizienter und anwender- freundlicher zu machen.
Wichtig für die Verbreitung grosser Wärmepumpen im Gebäudebereich sind neben technischen Fragen auch regulato- rische Aspekte. In diesem Zusammen- hang kündigte Pierre Christe, Wärme- pumpen-Experte beim BFE, an, dass Diskussionen für eine Ausweitung der Leistungsgarantie, wie sie heute für die Installation kleiner Wärmepumpen (bis 15 Kilowatt Leistung) gilt, auf grosse An- lagen zurzeit laufen. Er informierte zudem über die aktuellen Arbeiten zur Revision der Gewässerschutzverordnung mit dem Ziel, adäquate Rahmenbedingungen für die saisonale Wärmespeicherung im Un- tergrund und insbesondere im Grundwas- ser zu schaffen. Diese Entwicklung ist ge- rade für Wärmeverbünde von Bedeutung, um den Einsatz von Wärmepumpen und Langzeitspeichern bei der Planung von Fernwärmenetzen zu fördern.
HINWEISE
Die gedruckte Dokumentation zur 30. Tagung des Forschungs programms «Wärmepumpen und Kältetechnik» des Bundesamts für Energie kann erworben werden unter info@fws.ch.
Auskünfte erteilt Stephan Renz (info@renzconsulting.ch), externer Leiter des BFE-Forschungsprogramms Wärmepumpen und Kälte.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations-
und Leuchtturmprojekte im Bereich Wärmepumpen und Kälte finden Sie unter: www.bfe.admin.ch/ec-wp-kaelte